Aktuell Sex & OrgasmusSex Buch: Scharfstellung – Wirkung von Porno auf das Sexleben

Buch: Scharfstellung – Wirkung von Porno auf das Sexleben

von menscore
Fachliche Beratung: Ärztliche Redaktion
© klett-cotta Verlag
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Für Sex ist es nicht mehr zwingend erforderlich, auch in einer Partnerschaft zu leben, dank leicht verfügbarer Pornofilme. Aber das hat auch Schattenseiten. Diese beschreibt Sexualtherapeutin Heike Melzer in ihrem provokanten Buch  „Scharfstellung“ und zeigt Auswege auf.

Das Internet hat zur sexuellen Revolution beigetragen

Heutzutage sind unzählige Portale und Apps verfügbar, die jedem die gewünschte Befriedigung verschaffen können – und das rund um die Uhr. Mit einer kurzen Nachricht lässt sich Kontakt aufnehmen und schon steht einem unverbindlichen Date mit dem gewünschten Ausgang nichts im Wege. Die involvierten Personen wissen genau, was sie voneinander erwarten – unkomplizierten Spaß ohne Verpflichtungen. Intimität und Sexualität gehen nicht mehr zwingend Hand in Hand mit einer Partnerschaft, sondern lassen sich völlig eigenständig genießen. Hinzu kommt die schnell wachsende Pornoindustrie, die ebenfalls Auswirkungen auf das menschliche Miteinander hat, ob nun in einer Partnerschaft oder im Privat- oder  Arbeitsleben. Jeder ist dank des Internets Tag für Tag rund um die Uhr sexuellen Reizen ausgesetzt. Was sich früher mit dem Partner hinter verschlossenen Schlafzimmertüren abspielte, kann man sich heute auch online holen.

Was zunächst nach einer neu gewonnenen Unkompliziertheit klingen mag, hat aber auch seine Schattenseiten, die sich u. a. in Form sexueller Funktionsstörungen äußern. Sexualtherapeuten bekommen immer öfter zu hören, dass es bei Betroffenen zu einer derartigen Verselbstständigung von Phantasien und Verhaltensweisen kommt, dass sie bereit sind, alles in ihrem Leben zu gefährden. Zudem macht das Internet Pornographie auch für Kinder besonders leicht zugänglich. Schon vor dem ersten Kuss im realen Leben haben viele Kinder bereits explizite Bilder oder gar Videos im Netz gesehen.

Das Internet und die damit einhergehende Veränderung des Sexlebens hat sich nun Sexualtherapeutin Heike Melzer zum Thema gemacht und die Entwicklungen, mit denen sie selbst in ihrer Praxis konfrontiert ist, in ihrem Buch „Scharfstellung“ beschrieben. Diese sexuelle Revolution mit digitalem Hintergrund ist etwas, mit dem jeder konfrontiert wird, ob in der Partnerschaft, in der Familie oder im Freundeskreis. Die partnerschaftliche Sexualität ist mittlerweile nicht mehr das Nonplusultra, die digitale Sexualisierung sorgt dafür, dass die Lust nicht mehr zwangsläufig innerhalb einer menschlichen Beziehung ausgelebt werden muss, sondern sich auch anderweitig kanalisieren lässt. Sei es beim Schauen eines Virtual-Reality-Pornos oder dem Nutzen einer Seitensprung-App. Hier kann man sich austoben, hier kann man seine Phantasien wahr werden lassen, selbst wenn dies auf Kosten der Beziehung, der Familie, Karriere oder Gesundheit geht.

Reize und sexuelle Verlockungen nehmen rasant zu

Im Alltag ist es kaum möglich, sexuellen Verlockungen aus dem Weg zu gehen. Die Reizintensität hat stark zugenommen. Um das zu verdeutlichen, reicht ein Blick einige Jahre zurück. Damals, als man sich verstohlen in schummrige Erotik-Shops schleichen musste, wünschte man sich vielleicht das ein oder andere Video oder Spielzeug, um das eigene Sexleben neu anzufeuern. Oder als es bereits ein Highlight war, nur die Wäscheseiten der Versandhauskataloge zu durchblättern. Dies wäre heutzutage geradezu banal, schließlich ist nackte Haut mittlerweile allgegenwärtig, in der Werbung, auf Plakaten in der Stadt, in Filmen oder Musik-Videos. Höher, schneller, weiter ist heute das Motto, wenn es um sexuelle Stimulation geht. Da muss es schon der Virtual-Reality-Film sein, der es einem ermöglicht, komplett in das Geschehen einzutauchen.

Diese virtuellen Sex-Welten verleiten dazu, sich vollständig darin zu verlieren und das über Stunden hinweg. Die Konsequenz davon ist eine Überforderung des Lustzentrums. In der Sexindustrie geht es um sehr viel Geld, und ihr Ziel ist es, sexuelle Reize und Pornografie Teil des Alltags werden zu lassen. Angesprochen werden soll hierdurch das Belohnungszentrum des Gehirns. Immer mehr Menschen sind süchtig. Süchtig nach Pornos. Der Gewöhnungseffekt, wie man ihn auch bei Drogen kennt, tritt ein und macht es erforderlich, dass man immer mehr und stärkeren Stoff konsumiert, um die gewünschte Befriedigung zu erfahren. Autorin Heike Melzer weiß zu berichten, dass einer ihrer Patienten seinen zwanghaften Pornokonsum gar als „eine Art tägliche Selbstvergewaltigung“ bezeichnet. Eine Aussage, die zeigt, unter welchem Druck die Betroffenen eigentlich stehen, wenn sie doch gerade versuchen, Druck abzubauen.

Suchtpotenzial lauert auch an anderer Stelle

Aber nicht nur die Sex-Welten, die online warten, können ein enormes Suchtpotenzial entfalten. Derselbe Effekt lässt sich auch bei modernen Sex-Toys beobachten. Diese versprechen und ermöglichen ungeahnte Höhepunkte – und das auch ganz allein, ohne realen Partner. Zu verlockend ist der Gedanke für viele, sich einfach selbst die gewünschte Befriedigung zu verschaffen, wann immer man wünscht, ganz ohne partnerschaftliche Diskussionen und viel Gerede. Und wenn einem doch einmal der Sinn nach realem Kontakt stehen sollte, durchstöbert man einfach entsprechende Seitensprung-Apps nach willigen Partnern, die es ebenso unkompliziert mögen.

Unverbindlicher Gelegenheitssex, nach dem manche Betroffene geradezu zwanghaft suchen, ist die eine Seite der Medaille. Andererseits weiß Melzer aber aus ihrer täglichen Erfahrung, dass es immer mehr Patienten gibt, die auch im Erwachsenenleben noch nie mit einem anderen Menschen intim geworden sind. Überhaupt scheinen sexuelle Extreme auf dem Vormarsch zu sein. Dies zeigt sich auch durch die bedenkliche Entwicklung, dass viele Menschen derart skurrilen sexuellen Vorlieben verfallen, dass es kaum noch möglich ist, diese mit einer anderen Person auszuleben, die sich darauf einlassen möchte.

Vor einem schnellen Seitensprung macht man auch dann nicht Halt, wenn zu Hause Frau und Kinder warten. Und auch ein junges Alter schützt Männer mittlerweile nicht mehr davor, unter Erektionsstörungen zu leiden. Der Sex, der eigentlich als schönste Nebensache der Welt bezeichnet wird und nichts als angenehme und schöne Empfindungen auslösen sollte, stürzt mittlerweile immer mehr Menschen in tatsächliche Krisen. Und das nicht nur körperlich und seelisch, sondern mitunter auch finanziell. So berichtet Melzer von Klienten, die „fünfstellige Beträge pro Monat für käuflichen Sex und Affären ausgeben.“

Ein Buch, das auch Auswege aufzeigt

Melzer will in ihrem Buch, welches das Ergebnis unzähliger Gespräche mit Klienten und Paaren ist, zeigen, dass weder ein Porno noch ein Sexspielzeug etwas Schlechtes sein muss. Beides kann für frisches Feuer im Liebesleben sorgen. Die neuen erotischen Möglichkeiten wollen aber wohlüberlegt genutzt werden. Die Sexualtherapeutin will daher auch Auswege aufzeigen für alle, für die die neue sexuelle Revolution eher erdrückend als befreiend ist. Melzer ist es wichtig, nicht zu werten. Vielmehr möchte sie die Phänomene beschreiben und strukturieren. Herausgekommen ist ein Buch, das zu provozieren vermag und sicherlich für die ein- oder andere Diskussion sorgen wird. „Scharfstellung“ zeigt, wie eng Lust und Frust manchmal beieinander liegen können.

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