Aktuell Blog Von explodierenden Menschen und Neujahrsvorsätzen.

Von explodierenden Menschen und Neujahrsvorsätzen.

von K.J. Schindler
Fachliche Beratung: Ärztliche Redaktion
© magdal3na - Fotolia.com
© magdal3na - Fotolia.com

Es ist gar nicht so kompliziert, im neuen Jahr wirklich alles besser zu machen. Unser Berliner Gast-Autor Karl Johannes Schindler gibt entscheidende Tipps zum großen Glück. 

Jetzt wird es wieder gefährlich: Das neue Jahr ist im Anflug. Schlimm genug, dass viele Menschen über Weihnachten zu fett geworden sind, um sich an Silvester rechtzeitig von ihren Boden-Luft-Raketen entfernen zu können und mitsamt ihrem sonstigen illegal über Zgorzelec eingeführten weißrussischen Sprengstoffarsenal explodieren. Aber es geht ja immer auch noch furchtbarer: Wir schmieden wieder sensationelle Pläne für die nächsten zwölf Monate, diese zwölf armen Schweine. 
Dabei hätten wir allmählich aus den Ereignissen gelernt haben sollen, so wir älter als ein Jahr sind. Wir hätten auch John Lennon fragen können, bevor es bei ihm schrecklicherweise ganz besonders anders lief als erhofft: „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen“, sinnierte der gute Mann ehedem treffend.
Meistens wollen wir im neuen Jahr aufhören zu rauchen. Doch das Schicksal ist raffiniert. Mein tschechischer Freund Milan beispielsweise lag mal bei 15 Zigaretten pro Tag. Das schien ihm etwas viel. Am Neujahrstag konnte er dann zum Glück sowieso nicht rauchen, weil er in Karlsbad noch sorgfältig endreanimiert werden musste, nachdem er in Folge unseres festlichen gemeinsamen Becherovka-Exzesses in einem Thermalbad praktisch ertrunken war. In Thermalbädern zu ertrinken sei übrigens überhaupt nicht ratsam, soll ich ausrichten, es schmecke ekelhaft. Jedenfalls kam ihm das trotzdem sehr gelegen für den geplanten Nikotin-Ausstieg. Mir auch, denn ich beabsichtigte, jenem Gift ebenfalls zu entsagen. 
Nach 14 Tagen besuchte mich Milan in Berlin. Wir hatten tapfer durchgehalten. Jedoch sprach Milan nach zehn Minuten nicht mehr mit mir, weil: „Mit dir kann man nicht mehr sprechen! Du bist unerträglich, seit du nicht mehr rauchst!“ Das war mir noch gar nicht aufgefallen, außer, dass mich kurz vorher eine meiner führenden Freundinnen wortlos verlassen hatte. Zu meinem Entsetzen eilte Milan spontan an einen Kiosk, um sich Gitanes zu kaufen und anschließend meine Wohnung damit zuzunebeln. „Therapeutisch“, wie er anmerkte. 
Und er fand Gefallen am Wiederrauchen und landete anstatt bei früheren 15 Zigaretten bei 25 täglich. Ein Gefühl der notwendigen Solidarität befiel mich. Ferner ertrage ich es nicht, wenn gute Freunde mehr rauchen als ich, und so schraubte ich mein Pensum sofort aufopferungsvoll von vormals 20 auf 35. Am übernächsten Tag feierten wir unsere ethische Reunion ganztags im wunderschönen „Prager Café“ in meiner Straße: Becherovka, Kafka-Frühstück, Kafka-Gulasch, Zigaretten (das durfte man damals noch) und Staropramen statt Thermalwasser. Heute beheimatet diese weiland herrliche Restauration im Übrigen ein veganes Etablissement. Da war ich aber noch nicht. Das Publikum sieht durch die großen Fenster so aus, wie ich mich nach zwei Wochen Nichtrauchens gefühlt hatte. 
Von Hitler ist überliefert, dass er an einem Silvesterabend in den 30-ern einstimmig beschloss, weder Polen noch irgendwas anderes zu überfallen und Deutschland in Geschenkpapier an Frankreich zu übergeben. Meine beiden wirklich hinreißenden, unvergleichlichen Ex-Ehefrauen waren just zu Jahreswechseln auf die Idee gekommen, nun endlich den ganz großen Treffer anvisieren zu wollen und fanden dann jeweils mich.
Auch der Gedanke an eine sinnvolle europäische Zentralregierung entsprang dem Vernehmen nach silvesterlichen Verbesserungsvorschlägen politisch Hochbegabter für das neue Jahr, also eigentlich für sämtliche neuen Jahre. Solange neue Jahre noch nicht verboten sind, versteht sich. 
Streng der Worte Lennons eingedenk sei vielleicht einmal ganz allgemein empfohlen, sich für die anstehenden nagelneuen zwölf Monde vorzunehmen, nicht (!) den kollektiven Aufstand wider das diktatorische Vollpfostentum zu proben, für das Brüssel mittlerweile berühmter ist als für seine vorzüglichen Pommes Frites (mehlig kochende Kartoffeln verwenden, keine fest kochenden!). 
Für unsere Gesundheit können wir parallel beschließen, im neuen Jahr ganz dolle weiter zu rauchen. 
Vielleicht klappt’s ja. Alles Gute.

Verwandte Beiträge

                   

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.
Akzeptieren Weitere Informationen