Aktuell Unfruchtbar – was tun?

Unfruchtbar – was tun?

von menscore
Fachliche Beratung: Ärztliche Redaktion
© Wladimir Wetzel - Fotolia.com
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Seit Jahren machen Wissenschaftler eine besorgniserregende Beobachtung: Männer produzieren immer weniger Spermien – bis hin zur Unfruchtbarkeit. Gespräch mit einem Reproduktions- experten.

Jedes vierte Paar bekommt keine Kinder

Dr. Wolf Bleichrodt, Reproduktionsmediziner und Leiter der Münchner Cryobank für Spermakonservierung, sagt: „Die Ergebnisse normaler Spermiogramme lagen vor 30 Jahren bei 150 bis 200 Millionen pro Milliliter im Mittelwert – heute zählen wir gerade noch 50 bis 80 Millionen pro Milliliter. Das entspricht einer Abnahme von mehr als 60 Prozent.“ Was für den Laien nur nach abstrakten Zahlen klingt, lässt bei dem Fertilitätsexperten Bleichrodt alle Alarmglocken läuten.  „Wenn diese – überwiegend auf Umweltfaktoren zurückzuführende – Entwicklung so weiter fortschreitet, werden schon in weiteren 30 Jahren erhebliche Fortpflanzungsprobleme entstanden sein“, warnt er.  „Schon heute lässt sich in jeder vierten Partnerschaft der Kinderwunsch nicht erfüllen.“

Aber wenn’s mit der Liebe doch bestens klappt?

„Befriedigender Sex ist gut, aber kein Garant für Nachwuchs. Denn Potenz ist nicht gleichbedeutend mit Fruchtbarkeit“, sagt Bleichrodt. Da Störungen der Spermienbildung still und ohne Schmerzen ablaufen, bekommt der Betroffene seine Unfruchtbarkeit erst mit, wenn es trotz Kinderwunsch mit der Schwangerschaft nicht klappt. „Mehr als fünf Prozent der Männer in der Praxis von Reproduktionsmedizinern sind völlig überrascht, wenn festgestellt wird, dass die Ursache dafür bei ihnen liegt“, so der Münchener Experte Bleichrodt. „Meist ist es dann aber für therapeutische Maßnahmen schon zu spät. Techniken der in-vitro-Fertilisation, wie eine intracytoplasmatische Spermainjektion (ICSI), können zwar noch helfen, aber es wird immer schwieriger, den erwünschten Erfolg zu erzielen“, warnt der Reproduktionsmediziner.  „Und auch die schmerzhafte chirurgische Entnahme der Zellen aus Hoden und Nebenhoden (TESE, MESE) führt nicht mehr zum Ziel.“ 

Unfruchtbar — was nun?

„Natürlich gibt es Vorzeichen, die eigentlich bei Männern eine sofortige Terminvereinbarung beim Urologen erforderlich machen sollten. Aber wenn es nicht wehtut oder die Erektion nicht beeinträchtigt ist, werden die nötigen diagnostischen Schritte eher verdrängt und aufgeschoben. Mann leidet lieber still und zieht sich zurück, statt eine Schwäche einzugestehen.“

Brennen beim Wasserlassen, blutiges Sperma und Schmerzen hinter dem Damm und im Hoden können sowohl auf chronische rezidivierende Prostata- und Nebenhodenentzündungen als auch auf beginnende Tumore hinweisen. „Bei Hodenkrebs veranlasst meist der behandelnde Urologe eine sofortige Konservierung der noch vorhandenen Spermien – wenn die Zeit bis zur Operation überhaupt noch reicht, und der Patient die Nervenstärke aufbringt, um das Sperma noch zu gewinnen“, so Dr. Bleichrodt. Und auch dann ist die Erfolgsausicht gering, weil die Spermien für eine künstliche Befruchtung oft nicht mehr taugen.

Was kann man tun, wenn die Fruchtbarkeit verloren geht oder zu spät erkannt wird?

„Das gleiche, was viele Männer vor einer geplanten Sterilisierung, der sogenannten Vasektomie machen“, weiß Experte Bleichrodt. „Bevor sie den Schritt zum Schnitt wagen, halten sie sich noch ein Hintertürchen offen und legen ein Depot ihrer Spermien an. Wir Reproduktionsmediziner raten auch gesunden Männern, einmal in der Jugend und dann später noch ein weiteres Mal, eine Kontrolle durch ein Spermiogramm machen zu lassen. Sollte sich dabei eine deutliche Verschlechterung der Werte ergeben, wird sofort das Einrichten eines Spermadepots in einer Cryobank empfohlen.“ 

Nachwuchs aus der Kühltruhe – mit Haltbarkeitsdatum?

„Die eingelagerten Spermien halten sich fast unbegrenzt. Jedoch sollte darauf geachtet werden, dass die Zeitspanne bis zum Einsatz 30 Jahre nicht überschreitet.

Die Cryokonservierung ist einfach. Die vom Betreffenden abgegebenen Spermaproben kommen in sogenannte Pailletten – strohhalmdicke Plastikröhrchen von ca. 5 cm Länge. Sie werden an beiden Enden verschlossen. Die Behälter sind mit Ziffern und Zahlencodes versehen, um Verwechselungen auszuschließen. Dann werden diese – EDV-gesteuert – auf 150 Minusgrade gekühlt und anschließend in flüssigem Stickstoff bei minus 169 Grad Celsius gelagert.

Das Cryosperma kann jederzeit von der Cryobank abgerufen und an den Ort versandt werden, wo es zur Insemination, zur IVF oder ICSI eingesetzt werden soll. Auch schlechte Auftauergebnisse erzielen durch die heutigen Reproduktionstechniken noch gute Schwangerschaftsraten.“

                   

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